Halfterführigkeit klingt so selbstverständlich. Natürlich müssen wir ein Pferd im Alltag am Halfter führen können. Aber was genau soll es dabei eigentlich tun? Welchen Anspruch, welches Ziel habe ich dabei?
Wenn Menschen Pferde führen – häufig sehe ich dabei ein sehr unharmonisches Bild: Pferde überholen oder bleiben zum fressen stehen, der Mensch reisst mit vielen Kilos am Strick, verwendet Gebissstücke oder Ketten, und wird dabei wütend oder ängstlich oder beides gleichzeitig.
So kannst Du Dir eine sichere Führposition erarbeiten:
Das ist Dein Ziel: Wenn ich mein Pferd führe, dann soll es an einer bestimmten Position (relativ zu mir) laufen. Wenn Dein Pferd das tut, dann bist Du in jeder Situation zufrieden, richtig? Soweit, so einfach. Dieses Ziel ist jedoch nur durch gezieltes Training über mehrere Wochen erreichbar. Auf dem Weg dahin ist es nötig, das grosse Ziel in Teilziele herunterzubrechen. Teilziele, die so klein sind, dass Du sie in einer einzelnen Übungseinheit mit Deinem Pferd erreichen kannst. Denn dann habt ihr beide ein schönes Erfolgserlebnis und könnt Freude und Spass dabei haben!
An welcher Position läuft mein Pferd denn sinnvollerweise? Hinter mir oder neben mir? Oder vor mir? Und mit welchem Abstand?
Jede dieser Positionen hat für mich ihre Vor- und Nachteile. Ein Pferd kann alle Positionen lernen, auch die auf der rechten Seite des Pferdes.
Ich wähle die Position, die mir gerade hilfreich ist. Ich frage mich dabei immer wieder: Was genau will ich erreichen? Was ist mein Ziel für heute? Kann ich es erreichen oder formuliere ich es besser um, damit wir ein Erfolgserlebnis bekommen?
Antreten
Ich fange am liebsten mit Pos.2 an: das Pferd läuft dabei leicht versetzt hinter mir her. Hinterherlaufen bedeutet in der Pferdesprache sich führen lassen, keine Verantwortung haben und deshalb entspannen können. Woran soll mein Pferd erkennen, dass es jetzt antreten soll? Will ich eine ziehende oder eine treibende Hilfe einsetzen?
Im Idealfall tritt mein Pferd an, weil ich antrete, und zwar in die gleiche Richtung wie ich. Ich setze ein eindeutiges körpersprachliches Signal, mein Pferd vertraut mir und lässt sich ziehen – ohne physischen Zug am Seil. Das ist die leiseste Hilfe, die ich geben kann.
Wenn mein Pferd noch nicht kooperiert und stehen bleibt oder in eine unerwünschte Richtung läuft, dann benütze ich zusätzlich zu meinem eindeutigen körpersprachlichen Signal den Strick und übe impulsartig Druck über das Halfter am Kopf des Pferdes aus. Ich ziehe in Bewegungsrichtung – impulsartig, da Pferde auf konstanten Druck mit Gegendruck reagieren. Wenn 1kg Zugkraft allerdings nicht reicht um mein Pferd in Bewegung zu setzen, dann taugt diese Hilfe nichts, denn in einer körperlichen Auseinandersetzung wird immer mein Pferd gewinnen.
In diesem Fall kann ich mein Pferd nur treiben. Auch hierbei muss die Energie in Bewegungsrichtung geschickt werden, und zwar auf eine Stelle hinter der Schulter, von hinten nach vorne. Am einfachsten geht das aus Pos.3 oder 4 heraus mit dem Ende meines Seils oder mit einer Gerte – als verlängerter Arm. Solange das Pferd nicht reagiert, fehlt es ihm an Respekt. Ich dosiere die Energiemenge langsam nach oben, ohne das Pferd dabei zu berühren.
Wenn sich nun herausstellt, dass ich mein Pferd „beissen“ müsste um es z.B. zum Antreten in meine Richtung zu bewegen, also Seilende oder Gerte auf den Pferdekörper klatschen lassen müsste, dann ist das ein glasklarer Ausdruck meines Pferdes, dass es deutlich zu wenig Respekt hat vor mir und dass noch keine funktionierende Kommunikation etabliert ist. In diesem Fall breche ich ab, wenn es eine Übung ist, da ich sehr wahrscheinlich kein Erfolgserlebnis dabei haben werde, und mein Pferd auch nicht. Wenn es keine Übung ist, kann ich mich nur durchsetzen, indem ich dem Pferd Angst mache oder Schmerzen zufüge.
Um mir den Respekt zu erarbeiten, den ich beim Führen eines Pferdes brauche, gehe ich eine Stufe zurück, lasse Halfter und Strick weg und übe zunächst Lektionen im Roundpen in der Freiarbeit (Horsemanship Stufe 1).
Position 1 und 2
Wenn mir wichtig ist, dass mein Pferd beim Führen entspannt, dann wähle ich Pos.2.
Dabei lasse ich meinem Pferd einen Raum von ca. ½ – 1 ½ Meter hinter mir und einen Korridor von ca. 2 Meter Breite. In diesem Rahmen darf sich mein Pferd frei bewegen und den Kopf drehen, wohin es will, das Seil hängt durch. Durch diesen Spielraum beinhaltet Pos.2 die Pos.1. So lassen sich bequem längere Strecken laufen – mit viel Vertrauen und wenig Kontrollmöglichkeit.
Es liegt allerdings in der Natur der Pferde unsere Führposition immer wieder in Frage zu stellen. Beliebte Fragen sind z.B. zu nah kommen oder überholen, oder im Gegenteil, zurückfallen und stehen bleiben (z.B. zum fressen). Das ist normal und nicht wirklich abzustellen. Je klarer jedoch meine Vorstellung von erwünschtem und unerwünschtem Verhalten meines Pferdes ist, desto besser wird mein Pferd sie verstehen. Meine treibenden Hilfen kommen unmittelbar, wenn das gewünschte Tempo unterschritten wird. Meine verwahrenden Hilfen (mittels meines Körpers) kommen unmittelbar und unbedingt, wenn der Abstand zu klein wird. Ich werde berechenbarer für mein Pferd, dadurch wird es kooperativer.
Egal, welche Fragen mir mein Pferd stellt: wenn ich merke, dass ich ihm Angst machen oder Schmerzen zufügen muss um mein Ziel zu erreichen, dann breche ich ab, gehe eine Stufe zurück und erarbeite mir zunächst Respekt und Vertrauen im Roundpen in der Freiarbeit.
Pos.2 wird von Pferden gerne angenommen, sie laufen gerne versetzt hinter der Führposition. Erfahrungsgemäss wählt ein Pferd Pos.1 nur dann gerne, wenn es müde ist, wenn es in meine Fusstapfen treten will und sich nicht mehr selbst darum kümmern will, wohin es tritt, sondern es mir überlässt, z.B. auf einer langen Wanderung.
Wenn ich wenig Vertrauen zu dem Pferd habe, das ich führe, dann vermeide ich Pos.1 um das Pferd im Blick halten zu können.
Welches Tempo ist beim Führen sinnvoll? Jedes Pferd hat sein spezifisches Grundtempo im Schritt. In diesem Tempo kann es entspannt weite Strecken laufen. Jede Abweichung von diesem Grundtempo ist für das Pferd eine Herausforderung. Ich übernehme also zunächst das Grundtempo meines Pferdes und baue nach und nach Tempovariationen ein. Sobald ich merke, dass mein Pferd unruhig wird, gehe ich zurück in sein Grundtempo.
Position 3 und 4
Wenn ich mein Pferd auf einer befahrenen Strasse führen möchte, brauche ich maximale Kontrolle und führe es deshalb am ganz kurzen Strick direkt unter dem Halfter. Um meine eigene natürliche Laufhaltung beibehalten zu können und maximal einwirken zu können, muss der Kopf des Pferdes dabei eine Unterarmlänge vor mir sein. Ich befinde mich also neben dem Hals (Pos.4), in maximal ½ Meter Entfernung.
Die Hilfengebung ist die gleiche wie bei Pos.1 und 2, nur mit dem Unterschied, dass die Reaktionen des Pferdes sofort und unmittelbar erfolgen müssen. Andersfalls ist eine gleichmässige harmonische Bewegung nicht möglich. Das Pferd soll auf wenig Zug am Halfter direkt antreten, das gewünschte Tempo laufen, anhalten und rückwärts treten. Das Ziel ist dabei Pos.4 beizubehalten. Das ist nur mit Anlehnung erreichbar.
Bei triebigen Pferden findet man sich häufig unerwartet in Pos. 3 wieder. Wenn ich das Seil dann immer noch direkt unter dem Halfter halte, dann hat sich entweder mein Körper verdreht, so dass ich meine Energie nicht mehr nach vorne konzentrieren kann. Oder mein Ellenbogen befindet sich hinter meinem Körper, was dazu führt, dass ich meine Energie nicht mehr auf meinen Arm konzentrieren kann, dass ich nicht mehr aus der Körpermitte heraus agieren kann.
Pos.4 verlangt volle Konzentration, sowohl von mir als auch von meinem Pferd.
Bevor ich mein Pferd auf eine belebte Strasse führe, übe ich erst Pos.1 und 2, und dann Pos.4 innerhalb einer sicheren Umzäunung oder auf unfrequentierten Wegen.
Position 5
Wenn mein Pferd sicher in Pos.4 läuft, dann erarbeite ich mir daraus Pos.5, direkt hinter der Schulter des Pferdes. Dabei lasse ich es einfach zu, dass mein Pferd mich überholt, bis ich Pos.5 erreicht habe. Von dort aus kann ich treibende und verwahrende Hilfen fein aufeinander abstimmen – eine schöne Vorbereitung auf das Reiten. Pos.5 ermöglicht es mir mein Pferd zu formen und gymnastische Übungen ausführen zu lassen.
Der Abstand zum Pferd kann dabei variieren, von direkter Nähe (Bodenarbeit) bis zu mehreren Metern (Longieren).
In Pos.5 kann ich bereits einen zweiten, äusseren Zügel dazunehmen, um z.B. ein mögliches Ausfallen der äusseren Schulter besser verhindern zu können.
Position 6 und 7
Für die Pos.6 und 7 ist die Verwendung von 2 Seilen/Zügeln sinnvoll, um die Richtung des Pferdes exakt beeinflussen zu können. Dabei beinhaltet Pos.6 die Pos.7
Hier kann ich ein Pferd „fahren“, mit Langzügeln arbeiten.
Pos.7 mit 1 Strick habe ich mir mit Niňo mal erarbeitet, als wir auf einem laaangen Waldweg mit Steigung unterwegs waren, auf dem eine richtig dicke Schneedecke lag. Es war so anstrenged, dass ich mich an seinem Schweif festhalten und ziehen lassen wollte. Es hat wunderbar geklappt! 🙂
Schreibe einen Kommentar