Mai/Juni 2018

Lovo kam zu mir ins Training, weil seine Besitzerin immer häufiger Angst vor ihm hatte und nicht wusste, wie sie das ändern kann. An Strick und Halfter überholte der 13jährige massive Wallach (Rassemix) sofort und beanspruchte die Führposition. Anfassen liess er sich nur an bestimmten Stellen, und ganz bestimmt nicht am Schlauchsack oder sonstwo „hinten rum“.

Als er mit seiner 6jährigen Shetty-Stute Merle (Beistellpferd) hier ankam, habe ich sie beide kurz im Roundpen angetestet. Beide zeigten sich von ihrer verunsicherten, ängstlichen Seite, jeder auf seine persönliche Art und Weise. Lovo ist ein extrovertierter Typ, erschrickt oft und wird bei Unsicherheit nervös und aufgeregt. Er braucht Bewegung, um diese aufgestauten Energien abzubauen. Seinen Kopf trägt er gerne sehr hoch. Er ist aufgeschlossen gegenüber Menschen und sucht dort Sicherheit – häufig indem er den Mensch durch Schnuddeln und Schnappen provoziert sich zu positionieren.

Merle hingegen ist ein ruhiger, introvertierter und ängstlicher Typ. Bei Unsicherheit zieht sie sich zurück, vermeidet den Kontakt mit dem Menschen und sucht, wenn möglich, ihre Sicherheit bei Lovo.

Lovo wurde über sieben Wochen 1-2 mal täglich trainiert.

Anfangs war er sehr unkonzentriert und sehr provokativ. Respektsfragen in der Freiarbeit seitens des Menschen beantwortete er oft mit (weg-)rennen mit hoch erhobenem Kopf, was Flucht vor dem Menschen bedeutet. Durchparieren durch Raum geben war nicht möglich, er trabte weiter, wollte weg.  Wie wir mit diesem Verhaltensmuster umgegangen sind, habe ich bereits berichtet: Hilfe! Mein Pferd kommt ins Rennen!

Am Boden liegende Stangen waren ein Problem für ihn, da er den Kopf nicht absenkte. Er setzte sich überhaupt nicht mit dem Untergrund auseinander, auf dem er lief – ein Hans-guck-in-die-Luft.

Im Laufe der Zeit bekam er immer mehr Respekt und dadurch auch immer mehr Vertrauen, sowohl mir gegenüber als auch seiner Besitzerin gegenüber, die von Anfang an in das Training miteinbezogen wurde. Provokatives Schnuddeln wurde konseqent mit einem „Nein“ beantwortet, zärtliches Schnuddeln oder Lecken als Kontaktversuch erfreut unterstützt. Nach einer Woche war er deutlich ruhiger und konzentrierter bei der Arbeit. Durchparieren durch Raum geben war kein Problem mehr. Er hörte zu und arbeitete motiviert mit. Nach 4-5 Wochen fing er an, seinen Kopf im Trab abzusenken.

Am Ende des Trainings liess er sich, wenn auch noch ein wenig unsicher, erfreut am Schlauchsack kraulen, alle einzelnen Tritte waren abfragbar. Er liess sich schön führen mit Führposition vorne. Die Führposition neben dem Kopf war noch stressig für ihn. Ihn am Überholen zu hindern war leicht möglich, allerdings fragte er noch sehr häufig nach, ob das denn sein muss. Er hat verstanden, dass zärtliches Schnuddeln willkommen ist und forderndes nicht, aber er suchte noch oft Bestätigung.

Die Besitzerin war in der Lage zielorientiert zu handeln, wenn das Pferd nervös oder übergriffig wurde. Ihre Angst war kein präsentes Thema mehr.

Je gestresster Lovo ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er in alte Verhaltensmuster zurückfällt.

Je konsequenter sein Verhalten Menschen gegenüber weiterhin korrigiert wird, desto schneller wird er sich daran gewöhnen und sich in seine Rolle des Rangniedrigeren einfügen.

Die Herausforderung für den Menschen dabei ist, die eigenen Emotionen zu kontrollieren. Lovo stellt sehr, sehr oft Respektsfragen. Um eine Freundschaft mit ihm eingehen zu können müssen diese jedes Mal konsequent mit einer gütigen, wohlwollenden und liebevollen Grundhaltung beantwortet werden. Bei Bedarf darf die Wut nicht fehlen. Allerdings verstehen Pferde nicht, was nachtragend bedeutet, auch nicht, wenn das nur ein paar Sekunden andauert.

Meine Empfehlung:

Mittels Freiarbeit mindestens 1 mal pro Woche die Beziehung überprüfen und korrigieren. Die fliessenden Bewegungen dabei möglichst langsam gestalten, damit das Pferd zur Ruhe kommt und den Kopf fallen lässt.
Das Führen üben: „am Mann“ antreten, anhalten, einen Schritt rückwärts (mit allen 4 Beinen), möglichst sofort wieder nach vorne antreten, antraben (Jog), zum Schritt durchparieren, anhalten und wieder von vorne anfangen. Der Mensch befindet sich immer zwischen Nase und Schulter des Pferdes. Dabei Fokus auf die eigene Körpersprache legen und nur wenige Gramm am Halfter einsetzen (2 Finger reichen im Idealfall). Diese Übung nur ein paar Minuten abfragen und das Pferd dann wieder nach hinten schicken (Führposition vorne), damit es Ruhe findet.
Nachgeben in Genick und Hals üben, dem Kopf so oft wie möglich den Weg nach unten zeigen, sowohl vom Boden aus als auch unterm Sattel.

Merle hat zunächst deutlich Schwierigkeiten gezeigt Vertrauen zu fassen und sich dem Menschen anzuschliessen. Sie ging lieber ihre eigenen Wege. Durch den Kontakt zu mir im Paddock beim Füttern hat sie über die Zeit Vertrauen gefasst. Sie suchte ihre Sicherheit im direkten körperlichen Kontakt zu mir und wollte schmusen. Das habe ich jeden Tag gemacht. 🙂 Zusätzlich hat sie gelernt zu weichen ohne Angst zu bekommen, z.B. wenn ich Lovo herausgeholt habe und sie nicht mitdurfte. Nur am letzten Tag habe ich sie noch einmal zum Spielen in den Roundpen geholt. Sie hat alles sofort für mich getan: wegschicken, einladen, antraben und durchparieren durch Raum geben. Und vorher und nachher haben wir ausgiebig geschmust. 🙂

Meine Empfehlung:

Oft schmusen und vertrauensförderne Lektionen anbieten, vor allem bei der weiteren Ausbildung. Darauf achten, dass sie keine Angst bekommt beim Weichen. Sie hat eine ganz, ganz zarte liebevolle Seele.

 

O-Ton:

Heute ging es wieder nach Hause, der Abschied fiel nicht leicht… 😔
Ein -liches Dankeschön für die liebevolle Unterbringung und Ausbildung in den letzten sieben Wochen. Meine Pferde waren glücklich und rundum zufrieden. Wir vermissen die Zeit jetzt schon und können eins versprechen, wir kommen wieder… 👍😍
***Zentrum für Horsemanship***